Die Hinwendung zu einer neuen Sichtweise im Gesundheitswesen geht einher mit einer Diskussion um den Gesundheits- und Krankheitsbegriff. Gemäß der krankheitsorientierten Sicht wird Krankheit als Abweichung von der „Norm“ betrachtet – eine Norm, die als „Zustand des völligen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens“ (WHO 1946) definiert wird. „Kranke“ Menschen werden als „Fälle“ deklariert, deren Zustand vom „Normalzustand“ abweicht. Pathogene Einflüsse werden erforscht, Symptome werden klassifiziert und als Störungsbilder wissenschaftlich begründet.
Die Definition von Gesundheit als „normierter Zustand“ ist äusserst kritisch zu hinterfragen, sind die Dimensionen Gesundheit und Krankheit doch vielmehr als prozessuales Geschehen aufzufassen. Der Mensch befindet sich permanent in der Auseinandersetzung mit seinen gesunden wie den kranken Anteilen. Wir bewegen uns stets zwischen den Polen Gesundheit und Krankheit hin und her und sind damit nicht entweder gesund, oder krank, sondern immer im Prozess von sowohl gesund als auch krank. Krankheit und Gesundheit sind kein Gegensatzpaar. Gesundheit und Krankheit bilden ein Kontinuum und gehören zur Normalität des Lebens. Diese Vorstellung lässt nicht mehr zu, dass weiterhin normorientiert am Maschinenmodell der alten Medizin festgehalten wird.
Die salutogenetische Sicht wendet sich von der dichotomen Sicht Gesundheit versus Krankheit ab. Im salutogenetischen Modell werden Krankheit und Tod als notwendige Bestandteile des Lebens gesehen. Krankheit ist eine normale Erscheinung im menschlichen Leben und stellt eine Verarbeitungsmöglichkeit im Umgang mit den Herausforderungen des Lebens dar. Gesundheit hingegen kann als Ergebnis einer aktiven Auseinandersetzung des Individuums mit den inneren Bedürfnissen und den äusseren Anforderungen aufgefasst werden.